Auf dem Bayerischen Ehrenamtskongress betonte die populäre Motivationsforscherin Tatjana Schnell (Oslo), dass Glückserfahrungen erst durch die Ausübung von sinnvollen Tätigkeiten in unser Leben kommen: „Glück entsteht nicht durch die Suche nach dem Glück, sondern durch das Erleben von Sinn.“ In dieser Sichtweise kann Engagement und Ehrenamt ein stabilisierender Faktor sein, um in einer sich schnell wandelnden Zeit erfüllt zu leben.
Sinn macht glücklich
Diesen klaren Kommentar belegt die norwegische Wissenschaftlerin mit deutschen Wurzeln aus ihrer breit angelegten Glücks-Forschung. Demnach sind Menschen, die ausdrücklich auf der Suche nach Glückserleben sind, besonders unglücklich. Stattdessen erkannte Tatjana Schnell in ihren Untersuchungen „Die Psychologie des Lebenssinns“, dass Glück ein Nebenprodukt von einem sinnerfüllten Leben ist. Dieser Lebenssinn entsteht für uns Menschen, wenn wir Verantwortung übernehmen und selbst handeln können, also wirksam werden. Gefördert wird diese Erfahrung, wenn das eigene Leben zeitlich überdauernd als stimmig, orientiert, bedeutsam und zugehörig erlebt wird:
Stimmig ist mein Leben, wenn das was ich tue auch wirklich mein Ding ist. Menschen erleben das vielfach in der Familie, oft im Beruf, noch mehr aber im Hobby oder im freiwilligen Engagement. Wenn ich mich als Übungsleiter, Musikant oder in der Nachbarschaftshilfe engagiere, mache ich eben das, was ich wirklich, wirklich will und fördere damit mein Sinnerleben – und mein Lebensglück.
Orientiert ist mein Leben, wenn ich mit dem was ich tue auch meine Werte ins Leben bringen kann. Das geht oft im privaten und manchmal im beruflichen Zusammenhang. Darüber hinaus schließen sich Menschen zusammen, um ihre gemeinsamen Werte im Engagement zu verwirklichen. Der Teamgeist im Sport oder die Solidarität in der Integrationshilfe, auch die Aktionen einer Bürgerinitiative sind Ausdruck von Menschen die Orientierung haben, Sinn erleben – und Glück finden.
Bedeutsam ist mein Leben, wenn es die Welt ein klein wenig verändert. Noch besser ist es, wenn es dabei wirklich auf mich ankommt. Während wir im Beruf mitunter „austauschbar“ sind, ist das im Ehrenamt irgendwie anders. Es gibt keine Garantie dafür, dass Traineramt, Notenwart oder Vorstandschaft von jemand anderem übernommen werden, es sind ja alles freiwillige Tätigkeiten. Damit wird das eigene Engagement bedeutsam, sinnvoll – und macht glücklich.
Zugehörig ist mein Leben, wenn ich mit anderen Menschen in einem wertschätzenden Austausch bin. In einer bewegten Welt in denen Familien, Berufswege und Freundeskreise immer wieder neu sortiert werden, braucht es mehrere Bezugspunkte um eingebunden zu bleiben. Wenn irgendwo mal eine Krise ist, kann es durchaus helfen, wenn sich in der Chorprobe, im Arbeitskreis oder im Elternbeirat andere freuen, dass ich da bin. So begegnen uns im Ehrenamt nicht nur Menschen, sondern auch eine Sinnerfahrung – und Glücksmomente werden möglich.
Vielleicht sind das die wichtigsten Botschaften aus dem Ehrenamtskongress: Das Ehrenamt ist zu allererst für die engagierten Menschen selbst ein großer Wert. Dass darüber hinaus noch andere Menschen glücklich gemacht werden verdoppelt die Wirkung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Darüber hinaus noch ein paar harte Fakten für alle die es wissen wollen:
Die Gema-Gebühren für jährlich zwei Veranstaltungen pro Verein, Verband oder Initiative werden in Bayern aus dem Landeshaushalt bezahlt. Veranstaltungen müssen im Internet angemeldet werden und werden dann entsprechend übernommen: www.gema.de/de/musiknutzer/vereine-in-bayern
Die digitale Plattform www.freilIch-bayern.de ist für die Engagementvermittlung für alle Ehrenämter entwickelt worden. Alle Vereine können sich registrieren und einstellen, Interessenten können wohnortsbezogen und themensortiert suchen. Die Datenhoheit bleibt bei den Nutzern. Die Plattform ist mit der Koordinierungsstelle für Bürgerschaftliches Engagement verknüpft und barrierefrei eingerichtet.
Die Menschen engagieren sich so wie es zu ihnen passt. Alles was wir wissen müssen, um Menschen für ein Engagement zu gewinnen ist im Grunde bekannt. Es bleibt dabei, dass die Bedingungen immer wieder neu auf die interessierten Personen angepasst werden müssen. Projektengagement und Teamarbeit ist vielfach die Voraussetzung für den Einstieg und manchmal auch der Weg ins kontinuierliche Ehrenamt z. B. als Vorstand. Unternehmen können der Türöffner zu neuen Personenkreisen sein.
Die Verrentungswelle der Babyboomer wird dazu führen, dass sich viele potentielle Ehrenamtliche in den nächsten Jahren auf die Suche nach freiwilligem Engagement machen. Der Fachkräfte-Mangel kann auf der anderen Seite zu einem Ehrenamtlichen-Überschuss führen. Es ist jetzt die Zeit, dieses Feld aktiv anzugehen.
Der Personalmangel in Kita, Schule und Pflege provoziert die Frage nach dem Einsatz von qualifizierten Ehrenamtlichen in diesen alltagsnahen Bereichen. Nicht ausgeschlossen, dass die Frage kommt: Krippengruppe zu für alle oder geteilter Elterneinsatz in der Gruppe, Schulklasse nach Hause oder ehrenamtliche Lesepaten rein, Pflegestation schließen oder erfahrene Angehörige einbinden … die Antworten auf diese Fragen sind entweder noch offen oder haben sich schon verselbständigt.
Unsere freiheitliche Vielfalt ist die Voraussetzung und das Ergebnis von Engagement und Ehrenamt. Dort wo autokratische Kräfte wirken, wird genau diese bürgerliche Freiheit eingeschränkt. Wem der eigene Eigensinn und das eigene freiwillige Engagement wertvoll ist, der kann und muss sich für eine liberale Demokratie einsetzen. Es ist kein Zufall, dass dieses Thema gleichermaßen von Sozialministerin Ulrike Scharf und Kongressmacherin Prof. Dr. Doris Rosenkranz auf dem Bayerischen Ehrenamtskongress 2023 angesprochen wurde.
All diese Fragen können wir gemeinsam gestalten – und werden das auch tun. Ein Ort dafür ist die TreffpunktMIL am 22. Oktober im Bürgerhaus Obernburg (B-OBB). Mehr Informationen dazu unter www.sozialundgerecht.com